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HOW TO MASTER REVERB
Auf der Suche nach dem perfekten Reverb versteifen wir uns beim Mixen oft auf die im Plugin unserer Wahl gegebenen Parameter und werden zu selten wirklich kreativ. Was aber ist denn eigentlich dieser Raum, den du in deinem Mix brauchst? Ist es Hall? Sind es Reflektionen? Wofür Tiefenstaffelung und wie sollst du in all den Möglichkeiten die richtige für dich entdecken? Nachdem wir uns im ersten “How To Use Reverb” Blog-Artikel mit den Grundlagen von Reverb vertraut gemacht haben, tauchen wir nun tiefer ein in die fortgeschrittenen Möglichkeiten der Raumgestaltung.
Early Reflections und Raumklang
Early Reflections sind die ersten Schallreflexionen der Wände, die wenige Millisekunden nach dem Direktsignal eintreffen. Sie helfen unserem Gehirn, die Größe des Raums zu erkennen, in dem sich die Musik befindet. Auf der Suche nach dem für deinen Mix passenden Raum kannst du dir mit einem Delay Plugin die Early Reflections selbst bauen. Wenn du danach noch ein Reverb Plugin in die Kette gibst, dort nur den Reverb Tail aktiviert lässt und alle Early Reflections raus ziehst, kannst du dir so super individuelle Hallräume bauen. Werde kreativ und kombiniere z.B. einen Spring oder Tape Delay mit dem Reverb Tail einer gegateten Chamber. Die Möglichkeiten werden hier nahezu endlos und der Klang wieder zu einem echten Erlebnis.
Pre-Delay, EQ und räumlichen Platzierung
Wir haben im ersten Artikel schon im Ansatz darüber gesprochen, aber ich möchte deine Augen hier nochmal dafür öffnen, was du mit einem EQ vor dem Reverb erreichen kannst. Die Wahl der Frequenzen beeinflusst die Wärme, Klarheit und Präsenz des Reverbs und der darin eingebetteten Elemente maßgeblich. Da du dir im ersten Absatz deinen Raum gewählt hast, erstelle dir davon drei Instanzen für einen kurzen, mittleren und langen Pre-Delay. Jetzt hast du dir schon drei grundlegende Positionen im Raum geschaffen - hinten, mittig und vorn. Wenn du jetzt noch im EQ vor deinem Reverb Höhen und Tiefen so filterst, dass die Elemente hinten dumpfer werden und an Präsenz verlieren und nach vorne hin mehr Klarheit bekommen, ist die Immersion perfekt - aber da hören wir nicht auf.
Es kann einzelne Elemente wie eine call-and-response Stimme geben, die trotz Tiefe im Raum präsent aus dem Mix heraus stechen soll. Ebenso gilt das für Solo Gitarren oder besondere Percussion Elemente. Gehe dazu in den Pre-Reverb-EQ zurück und booste hier den Präsenz bestimmenden Mittenbereich zwischen 1 kHz und 4 kHz, je nach Grundton und Stimmung (Sendest du mehrere Elemente auf denselben Reverb, musst du den EQ in deinem Send einstellen). Das Ergebnis ist ein Element, welches verwaschen im Raum steht, dich aber trotzdem aus dem Mix heraus anspringt. Das erzeugt Dynamik und Abwechslung und damit wieder ein Element mehr, was deinen Hörer an deiner Musik fesseln wird.
Reverb Timing und Song Tempo
Die Synchronisation des Reverbs mit dem Song Tempo ist entscheidend, um den Mix rhythmisch zu verankern. Durch die Anpassung der Reverb-Zeit an das Tempo des Songs werden die Reflexionen und Nachhallanteile des Reverbs im Takt des Songs bewegt. Der Unterschied ist wie Tag und Nacht. Während dein Mix mit einem ungetimeten Reverb zwar eine schöne Fläche bekommt, fängt er mit einem gut getimten Delay / Reverb erst an, rhythmisch zu atmen. Dies verleiht dem Mix eine organische und zusammenhängende Atmosphäre. Wenn du herausfinden willst, wie viele Millisekunden du einstellen musst, um auf deine bpm zu kommen, gibt es hier einen netten, schnellen Kalkulator für dich.
Immersive und Mono-Reverbs
Durch Formate wie Ambisonics und Dolby Atmos können wir mittlerweile den Schritt in die Welt des 3D-Audio-Mixings wagen. Hier spielen neben 7.1.4 Reverbs tatsächlich auch Mono Reverbs eine Rolle. Der Gedanke kommt aus dem Filmbereich. Mono-Reverbs sind ein wichtiges Tool, um Dialoge natürlich in den bestehenden Raum zu integrieren. Durch geschicktes Einsetzen von Mono-Reverbs wird die räumliche Tiefe des Mixes verstärkt, ohne die Klarheit der Dialoge zu beeinträchtigen.
Dasselbe Prinzip lässt sich auf einzelne Mono-Elemente in deinem Musik Mix anwenden. Wenn du den richtigen Grundraum für deinen Mix gefunden hast, kannst du einzelne Elemente mit Hilfe eines Mono-Reverbs in ihrer jeweiligen Position einbetten, ohne den kompletten Raum verwaschen zu müssen. Wenn du zusätzlich noch mit der Size deines Mono-Reverb Objekts spielst, kannst du den beeinflussten Raum nach deinem Geschmack groß skalieren oder klein halten.
Panning für räumliche Tiefe im Mix
Manchmal sehen wir aber auch einfach den Wald vor lauter Bäumen nicht und versuchen unseren Mix mit noch mehr Reverb auszufüllen, in der Hoffnung, dass wir dann endlich die räumliche Tiefe bekommen, die wir uns erhoffen. Dabei ist die Lösung oft einfacher als gedacht: Fange an ohne Reverb, in Mono zu mixen. Ich habe dir dazu schon vor einer ganzen Weile einen Blog Artikel geschrieben, den du hier finden kannst. Ist dein Mix in Mono stimmig, wirst du kaum Probleme haben, wenn du in die Breite und damit auch in den Raum gehst, denn neben Reverb ist auch das Panning ein entscheidendes Werkzeug, um Instrumente im Raum zu verteilen.
Durch die Platzierung von Instrumenten entlang des Stereo Panoramas schaffst du Transparenz und räumliche Dimension in deinem Mix. Kick und Snare gehören in die Mitte, während Gitarren, Keyboards und Backing Vocals für eine breitere Klanglandschaft sorgen können. Aber wer sagt, dass du nur klassisch bleiben musst? Gerade im neuen immersiven 3D Audio Format wird das akustische Erleben etwas völlig Neues und auch hier sind die Möglichkeiten schier endlos. Schwierig wird es, auf die Hörgewohnheit deiner Stammhörerschaft einzugehen und Erwartungen gezielt zu erfüllen oder verspielt zu brechen. The choice is yours.
Also alles wie immer oder alles neu?
Den richtigen Raum zu finden ist und bleibt die Suche nach dem heiligen Gral. Aber wenn du deiner Produktion das gewisse Etwas im Producing geben willst, sind individuelle Hallräume und das Spiel mit unterschiedlichen Klangcharakteristika und Positionierungen deiner Element ein entscheidendes Werkzeug in deinem Producer Toolcase. Grab it!
- Johannes