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SOUNDDESIGN FÜR MUSIK
Sounddesign ist ein Begriff, der in der Musikwelt oft übersehen wird. Während er in Gaming und Film fest verankert ist, wird er in der Musikproduktion seltener thematisiert. Dabei hat sich Sounddesign zu einem unverzichtbaren kreativen Werkzeug in der modernen Produktionswelt entwickelt. Es geht um weit mehr als nur die reine Aufnahme von Instrumenten: Sounddesign ist die Kunst, Klänge zu formen, zu manipulieren und zu arrangieren. Ziel ist es, Hörer zu fesseln, sie in die Produktion hineinzuziehen und ihnen zu ermöglichen, faszinierende Details zu entdecken und in der Klanglandschaft zu versinken.
Was ist Sounddesign?
Sounddesign umfasst die gesamte Gestaltung, Bearbeitung und das Arrangement von Klängen, Geräuschen und Sounds. Als Teilgebiet der Tontechnik spielt es nicht nur in der Musikproduktion eine wichtige Rolle, sondern auch in der Filmmusik, bei Theaterstücken und Filmproduktionen. Bereits bei der einfachen Tonaufnahme beginnt das Sounddesign – von der Mikrofonauswahl bis hin zur finalen Bearbeitung in der DAW verschmelzen dabei die Grenzen zwischen Design, Mix und Mastering.
Wir tauchen im Folgenden tiefer ein in das Thema und schauen uns an, was du alles in deiner Produktion einsetzen und woraus du Inspiration ziehen kannst.
Individuelle Effekte: Die Kunst der Klangmanipulation
Individuelle Effekte umfassen gezielte Eingriffe in das Klangbild, die bewusst wahrnehmbar sind und oft eine narrative Funktion erfüllen. Dazu gehören insbesondere Stimmverzerrungen, die den emotionalen Gehalt von Lyrics unterstreichen, sowie Bewegungen im Panorama und der Tiefe des Klangraums, die räumliche Dimensionen erschaffen. Diese Effekte sind besonders effektiv, da sie direkt erlebbar sind und die Bedeutung des Songs auf einer zusätzlichen auditiven Ebene transportieren.
Einige sehr gute Beispiele für diese Art des kreativen Sounddesigns finden sich in der gezielten Manipulation einzelner Klangelemente:
- In Billie Eilishs "Everything I wanted" wird die Zeile "My head is under water" durch einen cleveren Unterwasser-Effekt verstärkt, der die Lyrics nicht nur hörbar, sondern regelrecht spürbar macht.
- The Caracal Project lässt in "I need a break" die titelgebenden Worte im Chorus geschickt im Panorama nach hinten wegdriften, was eine räumliche Tiefe erzeugt und die Bedeutung des Textes verstärkt.
- Electric Light Orchestra kreierte im Intro von "Telephone Line" den ikonischen Telefoneffekt, der den Hörer direkt in die Narrative des Songs eintaucht.
Die subtile Kunst: unauffällige Helden des Hintergrunds
Oft sind es die unterschwelligen Klangschichten, die einen Song erst wirklich zum Leben erwecken. Pads, Ambient Layer und Texturen schaffen eine emotionale Tiefe, die der Hörer zwar spürt, aber nicht bewusst wahrnimmt. Sie sind wie die Leinwand eines Gemäldes – essentiell für das Gesamtwerk, aber nie im Vordergrund.
- Karnivool fügen in “We Are” immer wieder im klanglichen Hintergrund kleine, unauffällige perlende Synth Pads ein, um die Melodien der anderen Instrumente zu umspielen.
- Jacob Collier kreiert in “Moon River” aus über 100 Gesangsspuren eine gigantischen Klangteppich, in dem das Individuum verschwindet und zu einer klanglich wabernden Einheit wird.
- Wardian Case & Kayak schaffen in “Overseas” einen großen Klangteppich aus hauchenden Pads und sich langsam bewegenden Elementen auf denen Gitarren und Synths langsam spazieren gehen.
Lead-Effekte: Die Protagonisten des Sounddesigns
Lead-Effekte sind die vordergründigen, direkt wahrnehmbaren Elemente im Sounddesign, die oft den charakteristischen Klang eines Songs prägen. Anders als subtile Hintergrundtexturen treten diese Effekte bewusst in den Vordergrund und werden zu eigenständigen musikalischen Elementen. Besonders in elektronischer Musik spielen sie eine zentrale Rolle, wo sie häufig als Synthesizer-Leads oder stark bearbeitete Vocal-Samples in Erscheinung treten. Diese Effekte fungieren oft als Hooklines oder prägnante Wiedererkennungsmerkmale eines Tracks.
Beispiele für markante Lead-Effekte:
- Crystal Lake transformiert in "BlüdGod" Stimmensamples durch Vocal Chops zu einem eigenständigen Lead-Instrument, was den charakteristischen Sound des Tracks maßgeblich prägt
- Mit einem ähnlichen Ansatz haben Bring me the Horizon in “Can you feel my heart” durch ein Layering von Vocal Chops und Synths einen sehr markanten Sound kreiert, der einen direkten Ohrwurm verspricht.
- “Somebody Else” von The 1975 wird getragen von einem Vocal Synth Pad, das konstant im Panorama wandert und immer so um das Gesungene herum tanzt.
Naturelemente und Raumaufnahmen
Eine besonders authentische Dimension des Sounddesigns erschließt sich durch die Integration von Naturelementen und echten Szenen. Diese Technik, die ihre Wurzeln im klassischen Hörspiel hat, arbeitet mit real aufgenommenen Umgebungsgeräuschen und atmosphärischen Raumaufnahmen. Anders als synthetisch erzeugte Sounds transportieren diese natürlichen Aufnahmen eine besondere Authentizität und schaffen eine greifbare, filmische Atmosphäre. Sie können den Hörer direkt in eine bestimmte Umgebung oder Situation versetzen.
Eindrucksvolle Beispiele dieses Ansatzes:
- Disembodied Tyrant / Synestia nutzen im Verlauf des Titels "Winter" an mehreren Stellen atmosphärische Naturklänge um ihre Interpretation des klassischen Stücks von Vivaldi in eine dystopische kalte Landschaft zu versetzen
- Linkin Park erschaffen beim Übergang von "Over Each Other" zu "Casualty" durch eine authentische Raumaufnahme eine cinematische Atmosphäre
- In Billie Eilishs “xanny” liegen immer wieder Kaffeehausaufnahmen, um die gespielten Passagen bildlich zu kontrastieren und Räume zu wechseln.
Die Kraft der Samples und Zitate
Ein besonders eindrucksvolles Werkzeug im Sounddesign ist die Integration von Samples und Zitaten. Diese Technik ermöglicht es, historische Momente, bedeutungsvolle Reden oder charakteristische Stimmen in einen musikalischen Kontext einzubetten. Dabei können diese Elemente sowohl als rhythmische Komponenten als auch als inhaltliche Verstärkung der Songaussage dienen. Die Verwendung solcher Samples verleiht den Tracks nicht nur eine zusätzliche Bedeutungsebene, sondern schafft auch eine Verbindung zwischen Musik und kulturellem oder historischem Kontext.
Bemerkenswerte Beispiele für den Einsatz von Samples und Zitaten:
- Michael Jackson integriert in "History" zu Beginn die unschuldige Stimme eines Kindes und verwendet im weiteren Verlauf kraftvolle Zitate von Martin Luther King
- Bakermat verwandelt in "One Day (Vandaag)" eine historische Rede von Martin Luther King in ein zentrales musikalisches Element
- Slaughter to Prevail liefern in “Hell” die wohl im Metal am häufigsten zitierte Zeile von Oppenheimer (orig. von Bhagavad-Gita) “Now I am become death, the destroyer of worlds” als Ausdruck der besonderen Härte des darauf folgenden Breakdowns.
Platzierung und Wirkung
Die Effektivität von Sounddesign hängt stark von seiner richtigen Platzierung ab. Besonders wirkungsvoll sind Effekte häufig in den Pausen und ruhigeren Momenten einer Produktion. Diese Phasen der relativen Stille bieten Raum für subtile Details, die den Hörer tiefer in die Klangwelt eintauchen lassen. Mit gut gesetztem Sounddesign kannst du deinem Titel mehr Tiefe verleihen, eine klangliche Fülle schaffen und deine klanglichen Bilder noch detaillierter gestalten.
Die Herausforderung besteht oft darin, die passenden Elemente auszuwählen. Mit meinen Beispielen wollte ich dir lediglich zeigen, welche Möglichkeiten dir offenstehen – die Entscheidung musst du individuell für deine Produktion treffen. Aber so ist es wohl in der Musik: Die Inspiration findet dich, wenn du deine Augen und Ohren offen hältst – meistens genau dann, wenn du es am wenigsten erwartest.
- Johannes