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STEP UP YOUR VOCALS
Was Major Pop und Death Metal gemeinsam haben? Die grundlegenden Handgriffe beim Aufnehmen und bei der Bearbeitung der Vocals sind die gleichen. Vom Comping über Adlibs zu Doubles und Effekten - wenn du schon immer wissen wolltest, wie eine professionelle Vocal-Produktion aussieht, dann ist das hier genau das Richtige für dich.
Vocal Comping
Vocal Comping ist die Basis, auf der eine professionelle Vocal Produktion aufgebaut ist. Vocal Comping (abgeleitet von "compiling", dem Zusammenfassen) ist eine Technik, bei der mehrere Takes aufgenommen und die besten Teile miteinander kombiniert werden. Wenn du die einzelnen Parts geschickt ineinander blendest, präsentiert das Ergebnis die besten Gesangsleistungen des perfomenden Sängers und klingt dennoch wie aus einer einzigen Aufnahme. Ohne Comping wäre es schwierig, die gleiche Produktionsqualität zu erreichen, die auf Streaming-Plattformen und im Radio zu hören ist. Es gehört daher zu den Basic Hard Skills, die du immer und immer wieder üben solltest. Aber was kannst du beachten?
1. Aufnahmen in Abschnitten: Teile den Song in Abschnitte auf, z.B. erste Strophe, erster Refrain, usw. Nimm mehrere Takes für jeden Abschnitt auf. In der Regel sind 3 bis 5 Takes ein guter Richtwert.
2. Sänger beachten: Achte auf eventuell schwierige Stellen, zu wenig Luft oder zu schnelle Passagen (z.B. DoubleTime) und sprich darüber, diese wenn möglich isoliert aufzunehmen.
3. Sänger coachen: Gib dem Sänger wenn nötig Anregungen, wie er den nächsten Take verbessern kann. (“Hier bitte mehr Betonung auf dieses Wort”, “Diese Endung nochmal hervorheben”, "Mehr Energie in diesen Satz”, usw.). Du bist als Engineer nicht nur der, der Record drückt, sondern auch immer Teil der kreativen Wertschöpfung und hast das neutrale Ohr auf der Aufnahme.
4. Leistung priorisieren: Setze die Performance des Sängers über technische Aspekte der Aufnahme. Kleinere Abweichungen in Tonhöhe oder Timing können später behoben werden, aber aus einer durchschnittlichen Performance lässt sich keine großartige machen. Das gleiche gilt für das Timbre der Stimme.
5. Längere Abschnitte bevorzugen: Längere Abschnitte klingen natürlicher. Versuche, Takes nicht wortweise, sondern in größeren Abschnitten zu kombinieren, außer du hast ein künstlerisches Interesse, dies als Effekt zu nutzen.
6. Aus anderen Teilen des Songs schöpfen: Falls keine brauchbaren Takes vorhanden sind, überlege, ob du ähnliche Abschnitte aus anderen Teilen des Songs verwenden kannst. Einen Chorus, der identisch ist, wirst du vermutlich nicht doppelt aufnehmen müssen.
7. Nicht zu viele Takes aufnehmen: Begrenze die Anzahl der Takes, um die Auswahl zu erleichtern und um deinen Sänger nicht zu schnell auszulaugen
8. Notizen während der Aufnahme: Markiere die besten Takes während der Aufnahme, um später bei der Bearbeitung eine gute Übersicht zu behalten.
9. Auswahl der besten Takes: Wähle die besten Takes aus und kombiniere sie zu einer einzigen Spur.
10. Nahtlose Übergänge erstellen: Sorge für fließende Übergänge zwischen den ausgewählten Takes durch geschickte Cross-Fades oder das Nutzen von mehreren Spuren, auf denen die Takes ineinander blenden.
11. Stille oder Konsonanten suchen: Ideale Übergänge zum Schneiden sind Stellen, an denen der Sänger nicht singt. Suche nach leeren Räumen zwischen Phrasen oder nach Konsonanten.
12. Timing anpassen: Um saubere Übergänge zu erreichen, gleiche das Timing der beiden Takes an. TCE (“Time Compression Expansion”) im Pro Tools ist dafür z.B. ein mächtiges Tool.
13. Atemgeräusche beachten: Übergänge können auch über Atemgeräusche gesetzt werden. Achte darauf, dass die Atemzüge aus beiden Takes ähnlich sind oder entscheide dich für einen und setze direkt davor / danach den Crossfade. Aber schneide die Atmer nicht raus. Menschen brauchen - das mag jetzt überraschend sein - Luft zum Atmen, auch beim Singen! Eine Aufnahme gänzlich ohne Atmer klingt unterbewusst merkwürdig und unnatürlich. Laute Atmer dürfen natürlich leiser gemacht werden.
14. Endüberprüfung: Höre dir die Gesangsspur isoliert an, um sicherzustellen, dass Übergänge gut klingen. Im Mix gehen manche kleine Fehler und Artefakte unter.
15. Mit vollständigem Mix hören: Achte darauf, dass die ausgewählten Takes in Bezug auf Timing und Energie zum Rest des Songs passen. Ggf. musst du hier nochmal nachjustieren.
Für eine gute und überzeugende Vocal Aufnahme sind es viele kleine Handgriffe und Kniffe, auf die es zu achten geht. Stehen dein Main Vocals kommt die Detailarbeit, in der du deine Hauptstimme mit Doubles, Adlibs und Effekten umspielen und verzieren kannst.
Doubles
Doubles sind doppelt aufgenommene Gesangszeilen, die die Hauptvocals ergänzen. Du gehst dabei genauso vor wie beim Recording der Hauptvocals, nur musst du hier den Fokus nicht ganz so stark auf die Detailqualität legen, da die Doubles in der Regel hinter die Main Vocals gelegt werden und weniger präsent im Mix eingebettet sind.
Durch EQing, Pegel und ggf. Effekte lassen sich Doubles von den Hauptvocals trennen. Die Dominanz der Doubles hängt von deinem Geschmack und deinem kreativen Ziel ab. Du kannst beispielsweise drei Dopplungen der Hauptstimme im Panorama verteilen (links, mitte, rechts) und dies mit -10dB zu deiner Hauptstimme dazu mischen. Entscheiden ist hier dein Editing: Die Vocal Takes müssen exakt unter deine Hauptaufnahme geschnitten und angepasst werden, damit Sie davon nicht zu unterscheiden sind. Wenn du das Gefühl hast, nicht genau genug schneiden zu können, kannst du auf Tools wie Vocalign zurückgreifen, die dir die Bearbeitung erleichtern.
Hier noch ein kleiner Tipp bei der Bearbeitung der Doubles: Aus den Doubles schneide ich Atmer immer komplett raus. Ein Mischmasch aus verschiedenen Atmern klingt mindestens genauso komisch wie gar keine Atmer zu haben. Probiere es mal aus!
Doubles können natürlich auch als harmonische Ergänzung dienen. Mische Sie dazu mit mehr Pegel hinter deine Main Vocals, um einen Chor Effekt oder Satzgesang zu erzeugen. Deiner Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Wenn du weg von einer homogenen Gesangsfläche hin zu Call and Response willst kommen wir zu Adlibs.
Adlibs
Ob im Hip Hop das klassische “Yeah” und “Yup”, oder eine soulvolle gesungene Koloratur - Adlibs sind keineswegs im Hintergrund versteckt, sondern können entscheidende Elemente in einem Song sein. Sie zeichnen sich oft durch spezielles EQing, Effekte und Verzögerungen aus, durch die sie hervorgehoben werden können. Es muss dabei auch nicht immer der klassische Telefon-Effekt sein. Eine subtile Mischung aus Formant Shift und Chorus schafft einen sehr starken Effekt bei dem die Stimme noch nah am Original, aber trotzdem so verfremdet ist, dass sie sich gut abhebt. Spielst du jetzt noch mit Delays und Räumen, kannst du einen Klangteppich bauen, der sich weich um deinen Haupttake legt.
Schlusswort
Eine hochwertige Produktion ist gezeichnet durch eine große Detailtiefe bei der Auswahl und Zusammenstellung der richtigen Takes. Schrecke nicht davor zurück, mehr zu machen als nötig und vielleicht doch noch den fünfzigsten oder hundertsten Take aufzunehmen. Rausschmeißen kannst du immer, aber das Wunder bei der Aufnahme entsteht oft erst, wenn man nicht mehr verbissen daran arbeitet. Trau dich viel zu machen. Keiner wird meckern, wenn dein Chorus 30 parallel laufende Vocal Takes hat. Und Effekte, Adlibs und Sounddesign machen aus deiner Produktion erst so richtig etwas besonderes. Leg los!
- Johannes